Neues System für das Dolmetsch-Zertifikat

von Clotilde Buhler | 1. Oktober 2023
catégories : NL2-2023-DE

Ab 2024 gibt es die Module 1 und 2* nicht mehr. Für das Zertifikat für interkulturelles Dolmetschen ist nur noch die Prüfung ausschlaggebend. Zur Vorbereitung wird eine neue Ausbildung angeboten.

«Das Zertifikat, das interkulturell Dolmetschende bisher erhalten habe, wird weiterhin anerkannt», hält die Geschäftsleiterin von INTERPRET Lena Emch-Fassnacht zu Beginn fest. Ab 2024 tritt jedoch das neue Zertifizierungsverfahren in Kraft. Es beruht auf einer Prüfung und einer Ausbildung, die zwar angeboten, aber nicht verlangt wird. Letzten Frühling haben rund zwanzig Westschweizer Dolmetschende die von INTERPRET organisierte und vom Bund (SEM und BAG) finanzierte Pilotausbildung absolviert. Die Prüfungsvorbereitung wurde von den Teilnehmenden sehr geschätzt (s. Kasten) und beinhaltete mehrere Neuerungen.

Breitere Grundlage

Die Themen Asyl und Justiz, die bisher in einer Weiterbildung behandelt wurden, werden nun schon in der Grundausbildung vermittelt. Ebenso sind nun Telefon- und Videodolmetschen fester Bestandteil des Basiskurses. «So können Dolmetschende, die in diesen beiden Bereichen tätig sind, integriert werden. Mit der breiteren Grundlage bieten wir den Dolmetschenden zudem die Möglichkeit, in allen Bereichen zu arbeiten, da sie über die nötigen Grundkenntnisse verfügen», erklärt Lena Emch-Fassnacht. Die Teilnehmenden der Pilotausbildung empfanden die Heterogenität der Gruppe als Bereicherung und wurden sich der vielfältigen Tätigkeitsbereiche bewusst, wie die Dolmetscherin Agnieszka Rey berichtet. «Für mich war der Bereich Justiz sehr neu. Ich war überrascht, wie sehr sich Einsätze am Gericht von meiner gewohnten Arbeit im Schul- und Gesundheitswesen unterscheiden». Die grössere Bandbreite von Themen und Publikum waren jedoch eine Herausforderung bei der Entwicklung der gemeinsamen Ausbildung.

Fokus auf bereichsübergreifende Kompetenzen

«Am wichtigsten für uns war die Konzentration auf die Vermittlung der bereichsübergreifenden Kompetenzen des Dolmetschberufs», erklärt Carmen Delgado, Ausbildnerin und Ko-Entwicklerin des neuen Basiskurses. Die bereichsspezifischen Grundkenntnisse wurden hingegen sparsam eingebaut. «Wir wollten den Teilnehmenden bereichsunabhängig die nötigen Kenntnisse vermitteln, damit sie ihre Dolmetschrolle im Bewusstsein der fachlichen Besonderheiten wahrnehmen können, ohne Fachexperten zu werden», erläutert sie.

Bei den Fachkompetenzen des interkulturellen Dolmetschens stehen wie bisher Gesprächsführungstechniken, Notizentechnik, die Steuerung der interkulturellen Kommunikation und der Umgang mit Emotionen im Zentrum. Carmen Delgado ergänzt: «Bei einem Einsatz ist der oder die Dolmetschende die einzige Person, die beide Sprachen versteht. Er oder sie muss deshalb die Verantwortung für die Qualität der Übersetzung übernehmen und lernen, mit Ermüdung umzugehen und eigene Bedürfnisse mitzuteilen.»

Der rote Faden ist zentral

Die verkürzte Ausbildung ist auch intensiver. «Das Pilotprojekt beinhaltete 90 Kursstunden verteilt auf zehn Wochen», berichtet Lena Emch-Fassnacht. Nach der Evaluation der Pilotausbildung werde INTERPRET den Ausbildungsinstitutionen Empfehlungen abgeben können. Carmen Delgado betont, dass es wichtig sei, den roten Faden nicht zu verlieren. «Die Kontinuität zwischen den Kursen muss gewährleistet sein, damit die Lerninhalte verankert werden, denn die Dolmetschenden setzen mehrere Kompetenzen gleichzeitig ein».

Sprach-Tandems

Als weitere Neuerung wurden in der Pilotphase Sprach-Tandems eingeführt. «Wir haben darauf geachtet, dass immer zwei Dolmetschende pro Sprache teilnahmen», erklärt Carmen Delgado. Bei Sprachen, die die Ausbildenden nicht verstanden, war es bisher schwierig, die Richtigkeit einer Verdolmetschung zu evaluieren. «Nun konnten sich die Dolmetschenden gegenseitig beurteilen. Wir hoffen, dass auch in künftigen Ausbildungskursen solche Tandems gebildet werden können». Zumal an der Prüfung eine Audioaufnahme der Dolmetschenden gemacht wird, damit ein Experte oder eine Expertin mit den nötigen Sprachkenntnissen die Leistung beurteilen kann.

Mehr Flexibilität

«Mit der Revision sollen Dolmetschende und Ausbildungsinstitutionen mehr Flexibilität erhalten», erklärt Lena Emch-Fassnacht weiter. Die Dolmetschenden können unabhängig von ihrem Werdegang zur Prüfung antreten und entscheiden, ob sie den Vorbereitungskurs besuchen wollen oder nicht. Die Qualität leidet dabei nicht: «In der Prüfung wird getestet, ob die Person die nötigen Kompetenzen für den Beruf mitbringt», versichert Lena Emch-Fassnacht. Die Ausbildungsinstitutionen können die Kursmodalitäten an die Bedürfnisse der Dolmetschenden und der Kundschaft anpassen. «Das ist für alle Beteiligten positiv. Wir möchten, dass alle aktiven Dolmetschenden über ein Zertifikat verfügen. Mit dem neuen System wird der Zugang zum Zertifikat erleichtert. Wir glauben, dass so mehr Dolmetschende über anerkannte Kompetenzen für ihre Arbeit verfügen werden», meint Lena Emch-Fassnacht abschliessend.

KASTEN – Begeisterte Teilnehmerinnen

«Es war wunderbar! Es gab Dolmetschende aus allen Einsatzbereichen, die zum Teil seit 20 Jahren im Beruf tätig waren. Für mich war der Erfahrungsaustausch das Beste. Die Ausbildung hat mir auch geholfen, mein Muttersprachniveau zu verbessern, indem wir am Wortschatz und im Tandem gearbeitet haben. Es war sehr intensiv, aber ich fühle mich sicherer, weil ich weiss, wie ich im Einsatz reagieren muss».

Sosuna Esayas, Dolmetscherin für Tigrinya seit 11.2022

«Die Ausbildung war sehr hilfreich für mein Rollenverständnis. Ich sehe schon jetzt, dass meine Übersetzungen seither flüssiger geworden sind. Ich habe auch gelernt, wo ich mich noch verbessern kann, zum Beispiel bei der Genauigkeit, oder dass ich um Wiederholung bitten darf, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Es reicht nicht, dieselbe Sprache zu sprechen, um sich Dolmetscherin zu nennen. Dolmetscherin wird man durch Erfahrung, Ausbildung und Selbstbeurteilung.»

Agnieszka Rey, Dolmetscherin für Polnisch seit 7.2022

*www.inter-pret.ch


catégories : NL2-2023-DE


Ihre Meinung

Ihre Meinung interessiert uns!

Benötigen Sie eine Sprache, Beratung, Informationen ? Möchten Sie uns treffen? Sie können jederzeit eine E-Mail an secomprendre@caritas.ch mitzuteilen, und wir werden uns mit Ihnen in Verbindung setzen.

In wenigen Minuten können Sie auch unsere Zufriedenheitsumfrage ausfüllen.


Zufriedenheitsumfrage

 

Spenden

Mit einer Spende unterstützen Sie die Weiterentwicklung eines hochstehenden Dolmetschangebots.

PC von "se comprendre – Verständigung für alle"
01-67132-5

Merci

 

Sie unterstützen uns

 
 
 
 
 
 
secomprendre.ch